Ach, es ist so traurig. In dem Dorf, wo die Pferde stehen, sind ja eine ganze Menge Katzen unterwegs, einige kennt man, weil man sie häufiger sieht, einige begegnen einem nur einmal.
Seit einigen Monaten schon habe ich hin und wieder einen grau-weiß-getigerten Kater bei uns rumstreunern sehen. Er sah schon länger recht verlottert aus, alt und zerfetzt irgendwie.
Als wir heute nach dem Ausritt wieder heimkamen, sehe ich ihn im Hof sitzen. Er starrte auf eine Pfütze - beugt sich vor, um zu trinken, und fällt hinein. Und taumelt dann mit unsicherem Schritt in unser Strohlager. Er lief mit versetzten Pfoten, wie ein Wolf, und taumelte ganz schlimm.
Ich bin vorsichtig hinter ihm her, habe ihn dort dann hocken sehen, er schwankte selbst da noch. Sein Gesichtchen hat er mir nicht richtig gezeigt, aber alleine durch das Tauchbad in die Pfütze sah er sehr schlimm aus.
Wir haben also eine Tierarztpraxis organisiert, die uns im Nachbardorf noch schnell dran nimmt, eben fix im Dorf rumgefragt, ob ihn jemand kennt, ob er jemandem gehört. Niemand hatte ihn gesehen, niemand gehörte zu ihm.
Also sind wir zum TA gefahren. Ich dachte, er hätte einen Autounfall gehabt, und war mir schon recht sicher, dass wir nicht mehr viel für ihn tun können.
Als der TA ihn aus dem Korb gezogen hat, habe ich das Ausmaß der Katastrophe gleich selbst gesehen. Ihm lief schon eitriges Sekret aus allen möglichen Körperöffnungen, der arme Kerl war völlig ausgetrocknet. Der TA hat ihn kurz abgetastet und hat sofort gesagt "Leukose, der gesamte Körper ist voller Tumore, ich kann nichts mehr für ihn tun, außer ihn ganz schnell einzuschläfern!". Seine Niere war stark vergrößert, diverse Tumore tastbar, er hatte keine Zähne mehr. Er war sicherlich mal ein stattlicher Kater, ungefähr 12-14 Jahre alt. Und offenbar hatte er keinen Menschen, der sich um ihn gesorgt und gekümmert hat.
Wir haben ihn dann einschläfern lassen. Die Narkose wurde vom Körper schon gar nicht mehr richtig aufgenommen, es hat sehr lange gedauert, bis er schlief. Dann hat der TA noch Eutha 77 injiziert, dann kam ein letztes zartes Aufbäumen dieses geschundenen Körpers, und dann hatte er es endlich geschafft.
Wir haben ihn wieder mitgenommen und unweit des Stalles neben einem Steinbruch begraben. Mein so gar nicht christlicher Mann hat ihm sogar aus Zweigen noch ein kleines Kreuz auf das Grab gelegt.
Ich weiß nicht warum, aber irgendwie hatte ich ihn sofort Tinker getauft, als ich ihn sah.
Es läßt sich vermuten, dass Tinker mit fünf Menschen um sich herum in seinem Sterben mehr menschliche Aufmerksamkeit genossen hat, als in den vergangenen Jahren. Es tut mir so leid, dass wir nicht mehr mehr für ihn tun konnten, als ihm wenigstens ein schnelles und halbwegs würdiges Ende zu bereiten, statt ihn noch über Tage hinweg krepieren zu lassen.
Ich hatte wirklich keinen Bezug zu dieser Katze, und trotzdem sitze ich jetzt hier und heule Rotz und Wasser.
Wünscht Tinker Glück, dass es ihm jetzt besser geht, und dass er vielleicht da, wo er jetzt ist, mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung erfährt, als in dieser Welt.
Gute Reise, kleiner Mann!
_________________ Amici violandi non sunt!
Zuletzt geändert von Tigo am 10.03.2007, 19:07, insgesamt 1-mal geändert.
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