Ich bin immer wieder schier geplättet von unserer Pferdedame, ihrer Lebensenergie und ihrer Weltanschauung.
Sie ist nun 22 Jahre alt, wird im März 23. Ein für Pferde durchaus gutes Alter. Sie können zwar durchaus 30 Jahre alt werden, aber laut einer Statistik liegt das Durchschnittsalter eines Sportpferdes bei ca. 8-10 Jahren.
Happy M. kam als zweijähriges Energiebündel zu uns, lief unter unserer Obhut diverse Rennen, verdiente ein wenig Geld, verletzte sich dann aber auf der Koppel an der Sehne, die Rennkarriere war vorbei. Weil sie uns von ihrer Persönlichkeit so gut gefiel, beschlossen wir mit ihr zu züchten. Sie schenkte uns fünf wunderbare Kinder mit einwandfreiem Charakter, die genau so klar im Kopf, menschen- und leistungsbezogen sind wie sie.
Sie hatte sich bereits als dreijährige Stute mittels brutaler Hufgewalt den Posten der Herdenchefin erarbeitet, den sie auch bis heute in diversen wechselnden Herden inne hat.
Sie begleitete mich als erste von unseren Pferden nach Sachsen, lernte noch im hohen Alter von damals 17 unter dem Sattel zu gehen und ein Reitpferd zu werden. Sie schredderte sich erneut ihre Sehne, und das ganze in 8 Monaten zwei Mal, was eigentlich schon ihr Todesurteil war, hätten wir nicht einen großartigen Tierarzt gehabt, der schlichtweg sagte "Die ist so klasse, die schläfer ich nicht ein!". Fast ein Jahr ihres Lebens rangen wir mit ihr, ihrer Sehne und dem drohenden AUS. Sie hat mit gekämpft und wir alle haben gewonnen.
Sie hat grünen Star auf einem Auge, wo sie vielleicht noch 25 % Sehkraft hat, sie läuft auf ihrem geschädigten Bein nicht mehr zu 100 % klar, kleine Unreinheiten kann das geschulte Auge locker erkennen, sie hat zudem in diesem Bein auch noch Arthrose. Und sie läuft, und läuft und läuft.
Sie ist heute nur noch mit ihren beiden Söhnen in einer Herde. Die zanken ganz gern mal, und das duldet Frau Mama nicht lange. Sie geht einfach hin, übermittelt mittels Körpersprache kurz und knapp "Schluss! Sortieren! Einer rechts, einer links, und dann ist Ruhe hier!". Und zwei ausgewachsene Wallache fügen sich, kauen vor ihr ab und murmeln nur leise "Tschuldigung, Mami!". Sie hat eine so spürbare Autorität, einfach nur durch ihr Erscheinen allein, um die ich sie wirklich beneide. Sie ist präsent.
Sie zu reiten ist wie ein Energieschub pur. Sie hat noch immer eine unbändige Lebensfreude. Happy kann nicht langsam gehen, das wäre reine Zeitverschwendung. Wer sie nicht kennt, aber in Aktion erlebt, würde ihr locker einen gefälschten Ausweis ausstellen - mit keinem anderen Pferd ist es uns so oft passiert, dass uns Passanten ansprechen, die lächeln und sagen "Ach, das ist aber noch ein junges Pferd, so ungestüm!".
Man kriegt von ihr nichts geschenkt. Wenn man etwas will, muss man beweisen, dass man weiß, was man da anordnet. Sie testet einen aus. Soll sie Anweisungen folgen, müssen sie logisch und konsequent sein, sonst entscheidet sie - sie ist schließlich Chefin.
Vorgestern bin ich sie wieder geritten. Ich war nach 30 Minuten fix und fertig, schweißgebadet und mit Blasen an den Fingern gesegnet, während sie in der Box stand und lauthals "Forever young" gröhlte.
Gestern war ich lange mit ihr spazieren. Sie ist diese Wege schon hunderte von Malen gelaufen, sie kennt jeden Stein. Aber sie nimmt die Welt täglich neu wahr, nichts ist, wie es mal war. Sie ist aufmerksam, sie saugt die Welt in sich auf, als gäbe es kein Morgen mehr.
Und sie ist einfach ein Muttertier, dessen Aufgabe im steten Schutz der ihr Schutzbefohlenen besteht. Auf dem Heimweg hatten wir starken Gegenwind, und sie lief immer ein Stück vor mir, drehte den Hals dann so ein, dass sie zwar etwas schief laufen musste, aber ich vor dem Wind geschützt war.
Wenn wir den Stall verlassen, bleibt sie vorher bei ihren Söhnen an jeder Box einmal kurz stehen, streckt ihre Nase an die der Jungs und verabschiedet sich. Wahrscheinlich gibt sie auch noch kurze Benimm-Instruktionen.
Sie beeindruckt mich auch nach den vielen gemeinsamen Jahren immer noch so sehr. Ich habe in meinem Leben viele Pferde kennengelernt, aber keines hatte jemals eine so starke Persönlichkeit. Sie hat in schlechten Zeiten damit für mich viel getan, denn sie motiviert einen zweifelsfrei, sich ebenfalls zusammen zu reißen, die Welt als kleines Wunder zu begreifen und losmarschieren zu wollen.
Ich genieße jedes Zusammentreffen mit ihr und danke immer wieder dem lieben Gott im Himmel, dass er uns ein so einzigartiges Pferdemädel an die Seite gegeben hat. Sie ist einfach beeindruckend, und ich gäbe was dafür, ein wenig etwas von ihr, ihrem Lebensgeist und ihrer Energie zu haben.
Gibt es Tiere in Eurem Leben, die Euch ähnlich beeindruckt haben?